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Christian Schultheis (rechts) freut sich, dass Gregor Atzmüller (links) in seinen Betrieb zurückgefunden hat. - Foto:_privat

 

HANAU - Noch knapp ein Jahr, dann wird Gregor Atzmüller seine Ausbildung als Dachdecker beenden. Eine Ausbildung, die er - wenn man es genau nimmt - eigentlich schon 2008 begonnen hatte. Doch damals, im zarten Alter von 16 Jahren, wusste der Rodenbacher nicht wirklich, was er will im Leben. Nach gerade einmal sechs Wochen brach er die Lehre wieder ab und fand sein Glück zunächst in der Veranstaltungsbranche. Dachdeckermeister Christian Schultheis hatte damals so eine Vorahnung, ein Gefühl, dass sich ihre Wege noch einmal kreuzen würden: „Du hast ja meine Telefonnummer, du kannst dich jederzeit bei mir melden“, gab der Chef dem jungen Mann zum Abschied mit auf den Weg.

Und tatsächlich. Als es in der Veranstaltungsbranche mit Beginn der Corona-Pandemie kriselte und zahlreiche Kollegen auf die Straße gesetzt wurden, griff Atzmüller zum Telefon und heuerte bei dem Traditionsbetrieb mit Sitz in Bruchköbel wieder an. Es klingt ein wenig wie die Geschichte vom verlorenen Sohn. Heute ist Atzmüller 29 Jahre und glücklich, dass er trotz seines im Vergleich zu anderen Auszubildenden hohen Alters noch einmal einen Neuanfang im Handwerk gewagt hat.

Der Dachdeckerberuf ist für ihn so etwas wie eine Liebe auf den zweiten Blick. „Ich bin jetzt sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben“, sagt er. Am wohlsten fühle er sich auf dem Dach, besonders Steildächer haben es ihm angetan. Was ihm am Handwerk besonders gefällt? „Man sieht das Resultat seiner Arbeit. Es erfüllt einen immer wieder mit Stolz, wenn man an einem Gebäude vorbeifährt, an dessen Dach man mitgearbeitet hat“, sagt er. Damals, als 16-Jähriger habe er das nicht so gesehen. „Ich denke, mir fehlte damals noch die Reife und die Lebenserfahrung“, glaubt er.

"Möchte den Beruf von der Pike auf lernen"

Schultheis bot ihm anfänglich die Option, als Dachdeckerhelfer zu arbeiten und dann im Rahmen eines Schnellkurses in den Rang eines Gesellen aufzusteigen. Dies wäre aus finanzieller Sicht für den Mann mit dem hochgesteckten Pferdeschwanz einträglicher gewesen. Doch Atzmüller lehnte ab, er wollte die komplette Ausbildung machen. „Ich möchte den Beruf von der Pike auf lernen, mir all das nötige Wissen aneignen“, sagt er. Sein Chef kam ihm entgegen, man einigte sich auf eine etwas höhere Ausbildungsvergütung. In seinem Umfeld sei die Entscheidung, sich mit fast 30 noch einmal neu zu erfinden, positiv aufgenommen worden. Seine Freunde schenkten ihm ein Starterset und fanden es gut, dass er im Rückwärtsgang einen großen Schritt nach vorne wagte.

In regelmäßigen Abständen nimmt Atzmüller nun am Blockunterricht teil, der für die Auszubildenden im Dachdeckerhandwerk in Weiterstadt bei Darmstadt stattfindet. Es macht ihm nichts aus, sich wie die anderen jüngeren Lehrlinge für 14 Tage zu kasernieren und um 22 Uhr das Licht im Zimmer auszuschalten. „Der Gregor, der gehört eigentlich auf ein Werbeplakat des Handwerks “, findet sein Chef und meint damit, dass man in der Branche gerade bei der Suche nach Nachwuchs innovativer und offener sein müsste: „Gregor ist immer gut gelaunt und bei seinen Kollegen unheimlich beliebt. Das zeigt mir, dass jemand seine Bestimmung gefunden hat“, meint Schultheis. Da sei es doch egal, wie alt er sei, oder was er zuvor gemacht habe. Gerade mit Blick auf die Seiteneinsteiger gebe es noch ein großes Potenzial, dass man bei der Gewinnung von neuen Facharbeitern ausschöpfen müsse. Viele junge Menschen werde doch erst spät bewusst, dass der akademische Weg doch nicht der ihre ist. „Das Handwerk ist nach wie vor sicher, es ist erfüllend und des bietet eine Fülle von Möglichkeiten.“ Dies sei eine Botschaft, die man den jungen Leuten besser vermitteln müsse.

Seit der Unternehmensgründung durch seinen Vater Helmut im Jahr 1969 habe es in der Firma nicht einzige betriebsbedingte Kündigung gegeben. Die meisten der heute 20 Mitarbeiter seien alle im Betrieb ausgebildet worden, sagt der Hanauer, der mit seinem Unternehmen seit 2012 im Bruchköbeler Lohfeld beheimatet ist. „Ich bin mir sicher, wenn Gregor will, dann kann er bei uns bleiben, bis er in Rente geht“, sagt Schultheis. (pm)

 

Quelle: KINZIG.NEWS

Donnerstag, 19.08.2021

 

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